NPO-Management

NPO-Management
von Professor Dr. Bernd Helmig
I. Charakterisierung
1. Begriff des NPO-Management
Der Begriff des NPO-Management (auch als Not for Profit Management oder Nonprofit Management bezeichnet) beinhaltet das Management von  Nonprofit-Organisationen (NPO). Als NPO werden Organisationen bezeichnet, die einen institutionellen Rahmen besitzen, sich in privater Trägerschaft befinden, selbstbestimmt handeln, keine Gewinnausschüttungen vornehmen und ein freiwilliges Engagement aufweisen. Zum NPO-Management gehört dementsprechend die Anwendung des betriebswirtschaftlichen Instrumentariums auf die spezifischen Problemstellungen, Rahmenbedingungen und Besonderheiten, denen sich NPO ausgesetzt sehen. Denn obwohl auch Nonprofits grundsätzlich mit For-Profits vergleichbare Systeme sind, lassen sich nicht alle Erkenntnisse aus der Betriebswirtschaftslehre der Profit orientierten Organisationen (Unternehmen) friktionslos auf den  Nonprofit-Sektor (NPO-Sektor) übertragen. Deshalb ist die Managementlehre von NPO als besondere Betriebswirtschaftslehre (Branchenlehre oder sektorale Betriebswirtschaftslehre) konzipiert, die aus der „Allgemeinen Managementlehre“ dasjenige übernimmt, das für Nonprofits als übertragbar erscheint und in all denjenigen Problembereichen zusätzliche Erkenntnisse und Handlungsanweisungen erarbeitet, in denen die Profit orientierte Lehre keine Lösungsansätze anzubieten hat.
2. Wissenschaftliche NPO-Forschung
Die wissenschaftliche  NPO-Forschung bemüht sich bereits seit vielen Jahren, den – durch große Heterogenität und Vielfalt der ihn determinierenden Organisationseinheiten gekennzeichneten – NPO-Sektor definitorisch ein- und gegen andere Sektoren abzugrenzen, um die terminologische und sektoral-spezifische Basis des NPO-Management zu legen. Die große Anzahl einschlägiger Publikationen zu diesem Thema in den entsprechenden wissenschaftlichen Fachjournalen des NPO-Sektors (z.B. ASQ, FAM, NML, NVSQ, Voluntas, ZögU), in Herausgeberbänden oder auch in Monographien legt Zeugnis hierüber ab. Da es sich bei „NPO-Management“ um ein zusammengesetztes Wort handelt, bietet es sich zur Begriffsabklärung an, zunächst separat die einzelnen Begriffsbausteine zu betrachten.
Organisationen sind nach dem institutionellen Organisationsbegriff soziale Gebilde, die dauerhaft ein bestimmtes Ziel verfolgen und eine formale Struktur aufweisen. Mittels dieser Struktur sollen die Aktivitäten der Organisationsmitglieder auf das verfolgte Ziel ausgerichtet werden. Das charakteristische Merkmal von NPO im Hinblick auf die verfolgten Ziele stellt die Sachzieldominanz (z.B. Bedarfsdeckung) dar, wohingegen bei den Profit orientierten Organisationen (Unternehmen) eine Formalzieldominanz (z.B. Gewinnerzielung, Umsatzmaximierung etc.) herrscht.
Der Begriffsteil „Nonprofit“ stellt eine Negativdefinition in Bezug auf die Zielerreichung dar und macht deutlich, dass diese Organisationen nicht primär Gewinn orientiert arbeiten. Diese Begriffsauslegung ist aber nicht dahingehend falsch zu verstehen, als dass in NPO keine „Gewinne“ (im NPO-Bereich besser: Überschüsse) erwirtschaftet werden dürfen oder können. Der Zweck einer NPO besteht also keinesfalls darin, Gewinne zu vermeiden, sondern bestimmte (z.B. bedarfswirtschaftliche, karitative, diakonische, humanitäre oder weltanschauliche) Ziele zu erreichen. Es besteht als konstitutives Merkmal von NPO lediglich die Auflage, dass erwirtschaftete Überschüsse nicht ausgeschüttet, sondern vielmehr in die Organisation re-investiert werden müssen, sofern welche anfallen (Gewinnausschüttungsverbot bzw. Nichtausschüttungsrestriktion).
Der Begriff „Management“ schließlich beinhaltet im betriebswirtschaftlichen Sprachgebrauch alle Aktivitäten, die mit der Leitung eines Unternehmens bzw. einer Organisation durchzuführen sind.
II. Funktionale Besonderheiten
Die Grundfunktionen des Management sind allen Organisationsformen gleich. Allerdings weisen NPO zahlreiche organisatorische Besonderheiten auf, die spezifische Managementproblemstellungen mit sich bringen. Hierzu gehören u.a. die nachfolgend genannten Aspekte.
– NPO besitzen gegenüber gewinnorientierten Unternehmen über ein mehrdimensionales und komplexeres Zielsystem, in dem eine Vielzahl von Komponenten qualitativer (und damit schwerer messbarer) Natur ist. Zudem werden vornehmlich Sachziele (z.B. Bedarfsdeckung) und nicht Formalziele (z.B. Gewinn- oder Umsatzmaximierung, Return on Investment) verfolgt.
– Die Funktion des Personalwesens ist in NPO sehr stark durch differenzierte Personalstrukturen (Profis, Ehrenamtliche, Zivildienstleistende) und – damit verbunden – durch unterschiedliche Anforderungen an Aufbau und Strukturierung des Personalbestands sowie an die Mitarbeiterführung verbunden. Hinzu kommt eine Vielzahl an spezifischen arbeits- und sozialrechtlichen Fragestellungen, die in der heterogenen Mitarbeiterstruktur begründet liegen. Schließlich bedingt der Umgang bzw. die simultane Führung von Laien ( ehrenamtlichen Mitarbeitern) und Profis (hauptamtlichen Mitarbeitern) andere Qualitäten und Anforderungen, als das Management nur von Profis mit sich bringt.
– Besondere Anforderungen an das NPO-Management stellt auch der Aufbau der Unternehmensrechnung und des Controlling. Die Problematik der in NPO üblicherweise zu erfassenden qualitativen Informationen überfordert meist die traditionellen Kennzahlen oder Rechnungswesensysteme im Sinn einer integrierten Steuerung. Damit einher gehen spezifische Anforderungen an EDV-Lösungen zur Verarbeitung der Informationen.
– Die Problematik der erhöhten Anforderungen an Unternehmensrechnung und Controlling hängt schließlich mit den oftmals sehr komplizierten aufbauorganisatorischen Strukturen von und den ebenso komplexen Willens- sowie Entscheidungsbildungsprozessen in NPO zusammen (oftmals Einbezug von ehrenamtlichen und/oder politischen Organen und Gremien).
– Häufig hat man es bei den Stakeholdern einer NPO nicht mit dem „klassischen“ Kunden zu tun, die nach dem Leistungs-Gegenleistungs-Prinzip ein Produkt oder eine Dienstleistung erwerben, sondern oftmals mit Mitgliedern (z.B. im Fall von Eigenleistungs-NPO wie Verbänden, Vereinen, Parteien, Gewerkschaften etc.). Diese spezifischen Stakeholder haben gänzlich andere Wünsche und Anforderungen an den Leistungserbringer, als im Fall von „normalen“ Leistungen. V.a. ergibt sich das Problem, dass der individuelle Nutzen der durch diese Art von NPO bereitgestelltem, sog. kollektiven Eigenbedarf nur schwerlich gemessen werden kann, was für das Management Angriffspunkte für die Mitglieder offenbart.
– Auch im Bereich der Finanzierung ergeben sich gegenüber den Profit orientierten Organisationen deutliche Abgrenzungen. So sind NPO – neben der oftmals großen Abhängigkeit von öffentlichen Mitteln – häufig auf Spenden, Legate, Sponsoring, Mäzenatentum und damit in hohem Maße auf Fundraising-Aktivitäten angewiesen. Dem ausgewogenen Finanzierungs-Mix einer NPO kommt dabei im Rahmen des NPO-Management eine hohe Bedeutung für die langfristige Überlebensfähigkeit der Organisation zu.
III. Besondere Relevanz des Nonprofit Marketing
Eine entscheidende Rolle für ein erfolgreiches NPO-Management spielt nach herrschender Meinung v.a. das Nonprofit Marketing. Denn auch und gerade in NPO schafft die betriebswirtschaftliche Funktion Marketing die Voraussetzungen dafür, dass NPO ihre Aktivitäten Markt bezogen ausgestalten. Dies unterstellt mithin, dass das Primat des Marketing unter Berücksichtigung des Organisationszwecks (letztere v.a. dann, wenn das Leistungsangebot bzw. die Mission der NPO normativ besetzt ist) gegenüber anderen betriebswirtschaftlichen Funktionsbereichen akzeptiert und Marketing als Führungsphilosophie bzw. Grund- und Denkhaltung von NPO adaptiert wird. Unter NPO-Marketing dabei wird eine verbindliche Grundhaltung innerhalb einer NPO verstanden, die eine konsequente Ausrichtung aller mittelbar oder unmittelbar den „Markt“ betreffenden Entscheidungen an den Wünschen und Bedürfnissen der aller Stakeholder der NPO (Nachfrager, Kunden bzw. Stakeholder) verlangt.
Dies beinhaltet dafür zu sorgen, dass es für den wirtschaftlichen Erfolg des Leistungsangebotes einer NPO maßgeblich ist, in der Wahrnehmung einer hinreichend großen Anzahl an Stakeholder (z.B. Nachfragern, Kunden, Klienten, Mandanten, Mitgliedern, Donatoren, Sponsoren, Mäzene etc.) entweder besser zu sein, als die Wettbewerber (sofern eine – was mittlerweile auch im NPO-Bereich normalerweise meist gegeben ist – Konkurrenzsituation vorliegt). Und/oder es bedeutet, dass das Leistungsangebot einer NPO (bei Nichtvorhandensein eines Marktes, bspw. wenn es um die (Nicht-)Mitgliedschaft in einem – mehr oder minder alleine in Frage kommenden – Branchenverband geht) einen konkreten, d.h. mess- und nachweisbaren sowie gleichzeitig einzigartigen, Nutzen für seine Stakeholder darstellen muss. Nur wenn in den Augen der Stakeholder das Leistungsangebot einer NPO über diesen einzigartigen Nutzen (Unique Selling Proposition) verfügt, hat es eine Berechtigung am Markt und eine reelle Chance, dort langfristig zu überleben.
- Vgl. auch  dritter Sektor.
Literatur: Badelt, C. (Hrsg.), Handbuch der Nonprofit Organisation, 3. Aufl., Stuttgart 2002; Purtschert, R., Nonprofit-Organisationen, in: Die Betriebswirtschaft, 52. Jg., H. 6, 1992, S. 855–856; Schwarz, P./ Purtschert, R./ Giroud, C./ Schauer, R.: Das Freiburger Management-Modell für Nonprofit-Organisationen, 4. Aufl., Bern u.a. 2002; Tscheulin, D.K./ Helmig, B. (Hrsg.), Branchenspezifisches Marketing, Wiesbaden 2001.

Lexikon der Economics. 2013.

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